Berufsbildung in Forschung und Praxis
Herausgeberin SGAB Logo

Berufsbildung im Spannungsfeld zwischen Bund und Kantonen

Bildung: Etwa doch ein Polenta- und Röstigraben?

In der deutschen Schweiz absolvieren 64 Prozent der Jugendlichen eine Lehre. Ganz anders in der Romandie, wo dies nicht einmal die Hälfte des Jahrgangs tun. Ein vom Schweizerischen Nationalfonds finanziertes Forschungsprojekt ging der Frage nach, warum das so ist. Der Beitrag zeigt anhand von drei Kantonen (ZH, GE, TI), dass wichtige politische Weichenstellungen Anfang der 60er-Jahre erfolgten, unter anderem mit dem Vollzug des neuen Berufsbildungsgesetzes. Während man im Kanton Zürich die Initiative den Berufsverbänden überliess, die weitgehend an der Organisation der kantonalen Berufsbildung beteiligt waren, verstand man im Kanton Genf die Berufsbildung als Teil eines umfassenderen Bildungssystems mit politischen und sozialen Zielen.


Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Forderung einer «Demokratisierung der Bildung» einher. Durch den Ausbau von «Mittelschulen» wurde ab diesem Zeitraum für viele Jugendliche potenziell die Wahlmöglichkeit zwischen gymnasialer und beruflicher Bildung geschaffen. Diese hing aber stets von den Prüfungsergebnissen der Pflichtschule ab: Wer schulisch begabt ist, kann ins Gymnasium bzw. an eine Maturitätsschule gehen, wer nicht, soll bitteschön eine berufliche Grundbildung absolvieren oder direkt in die Arbeitswelt einsteigen. Auch heute noch ist die Wahl der nachobligatorischen Bildung heikel. Viele Eltern wollen «das Beste» für ihre Kinder und setzen sie unter Druck, damit sie den Eintritt ins Gymnasium schaffen, auch wenn in der Schweiz vielen durchaus bewusst ist, dass auch die berufliche Bildung einen valablen Weg für die persönliche Entwicklung und berufliche Zukunft eröffnet. Ein Blick auf die Situation in den 26 Kantonen zeigt allerdings erhebliche Unterschiede beim Zugang zu einer Ausbildung auf der Sekundarstufe II.

Kantonale Unterschiede

In fast allen Deutschschweizer Kantonen erreichen über 90 Prozent der Personen bis zum 25. Altersjahr einen Abschluss auf Sekundarstufe II. In BS, TI und in den Westschweizer Kantonen (Ausnahme JU, FR) liegt diese Quote zum Teil deutlich darunter.

Die Bedeutung der beruflichen Bildung in der Schweiz ist enorm. Dazu haben eine Berufsbildungs- Gesetzgebung, welche dem Bund und den Kantonen neben den Berufsverbänden eine starke gestalterische Rolle zugesteht, und generell der anhaltende öffentliche Support für die Berufsbildung beigetragen. 66% der Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren absolvieren eine berufliche Grundbildung, und zwar in der Regel in einer dualen Lehre. In Appenzell Innerrhoden sind 2019 in der entsprechenden Altersgruppe insgesamt 84% in einer beruflichen Grundbildung, während im Tessin 43% und in Genf – als tiefster Wert – lediglich 21% diesen Weg gehen.

In 16 deutschschweizerischen Kantonen sind sehr hohe und gesamtschweizerisch überdurchschnittliche Anteile Lernender in der dualen Berufsbildung feststellbar, denen gemässigte Prozentzahlen bezüglich Gymnasiastinnen und Gymnasiasten gegenüberstehen (siehe Grafik 1). In den gleichen Kantonen ist ausserdem die Beteiligung in beruflichen Vollzeitschulen tief. Diese Schulen spielen, gemäss lokalen ökonomischen Besonderheiten, eine bedeutendere Rolle als in anderen Kantonen – zum Beispiel dank der Uhrenindustrie, die traditionellerweise in Uhrenmachervollzeitschulen Jugendliche ausbilden (so in den Kantonen JU, NE, VD und GE). Die genannten Kantone weisen zusammen mit den Kantonen TI, FR, BS und insbesondere GE eine tiefere Beteiligung in der dualen Berufsbildung bei gleichzeitig hoher Beteiligung an Gymnasien aus. Solche Unterschiede spiegeln den schweizerischen Bildungsföderalismus. Wir gehen davon aus, dass die Kantone auf lokale wirtschaftliche Begebenheiten reagieren, hierbei aber auch kulturelle Faktoren eine Rolle spielen.

Auffällig ist auch, wie aus Grafik 2 ersichtlich ist, dass in beinahe allen Deutschschweizer Kantonen über 90 Prozent der Personen bis zum 25. Altersjahr einen Abschluss auf Sekundarstufe II erreichen. In Basel-Stadt, im Tessin und in den Westschweizer Kantonen (Ausnahme Jura und Fribourg) liegt diese Quote zum Teil deutlich unter dieser Schwelle.

Grafik 1: Verhältnis zwischen der Anzahl der Lernenden in dualer Berufsbildung, Vollzeitberufsschüler und allgemeinbildenden Schüler (Gymnasium, FMS, DMS) und der Altersgruppe 15-18 Jahre im Jahr 2019. (BFS-Daten 2021) (Eigene Darstellung)


Grafik 2: Erstabschlüsse auf der Sekundarstufe II bis zum 25. Altersjahr, 2015. (BFS-Daten 2018: Allgemeinbildung: Gymnasien und allgemeinbildende Mittelschulen; Berufliche Grundbildung: EBA, EFZ und BMS).

Duale Berufsbildung in drei Kantonen: GE, TI, ZH

Welche Präferenzen haben die Kantone; was bestärkt oder entmutigt sie in ihren bildungspolitischen Ausrichtungen? Das vorliegende Forschungsprojekt[1] untersucht diese Fragen am Beispiel der Kantone ZH, TI und GE. Die drei Kantone repräsentieren drei Sprachregionen, wobei Genf hinsichtlich der weiter unten dargestellten Trends einen besonders ausgeprägten Fall für die Westschweiz darstellt.

Wir gehen davon aus, dass entscheidende Weichenstellungen zur Zeit des Sputnik-Schocks in den frühen 1960er-Jahren gestellt wurden.

Wir gehen davon aus, dass entscheidende Weichenstellungen zur Zeit des Sputnik-Schocks in den frühen 1960er-Jahren gestellt wurden. Damals entstanden zusätzliche Gymnasien, die schweizweit einen Anstieg der Gymnasialquote bewirkten, während die Berufsbildung (verzögert) auf das Anliegen reagierte, Jugendlichen ein attraktiveres und auf die technologisch sich wandelnde Arbeitswelt ausgerichtetes Ausbildungsprofil zu bieten. So anerkannte das Berufsbildungsgesetz von 1963 die Berufsschule als Teil der Berufsbildung und sah die Ausbildung Jugendlicher als eine stärker auch pädagogisch zu gestaltende Aufgabe – für uns heute selbstverständlich, aber damals ein Schritt nach vorne. Ausserdem wurden mit neuen weiterführenden Bildungsangeboten wie den Höheren Technischen Lehranstalten, die an die Erstausbildung anschlossen zusätzliche Karrieremöglichkeiten geschaffen (technische Bildung).

Insgesamt haben diese Weichenstellungen zu einer weiteren Steigerung der Berufsbildungsbeteiligung in der gesamten Schweiz von der Jahrhundertwende bis in die 1990er-Jahre geführt. Sie fand allerdings nicht überall in gleichem Masse statt, wie aus Grafik 3 ersichtlich ist. Der Kanton ZH verzeichnet trotz Einbrüchen eine kontinuierlich steigende Anzahl Lernender in der dualen Berufsbildung. Im Kanton TI waren die Schwankungen stärker, insgesamt ist aber doch ein Anstieg zu verzeichnen, wenn auch auf einem tieferen Niveau als in den 1990er-Jahren. In GE hingegen sind die heutigen Anteile deutlich tiefer als 1900 und 1950, auch wenn ein leichter Aufschwung (wie in TI) seit 2010 zu beobachten ist.

Dieser Trend spiegelt sich auch in der Entwicklung der einzelnen Typen: duale Berufsbildung, «andere Schulen» (hier berufliche Vollzeitschulen, FMS, DMS, HMS u.a. eingeschlossen) und Gymnasien (Grafik 4).

Grafik 3 Entwicklung des Verhältnisses zwischen Lernenden in dualer Berufsbildung und der Altersgruppe 15-18 Jahre in der Schweiz (CH) und in drei Kantonen (ZH, TI; GE) von 1900 bis 2019 (Quelle: Volkszählungen/BFS 2021)


Grafik 4 Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Lernenden in der dualen Berufsbildung, Gymnasium und Schülerinnen und Schülern anderer Schultypen der Sekundarstufe II (FMS, DMS u.a., berufliche Vollzeitschulen) 1940 bis 2019 und der Altersgruppe 15-18 Jahre in den Kantonen Zürich, Tessin und Genf in % (Quelle: Volkszählungen/Kantonale Berichte/BFS 2021, siehe Bemerkung Fussnote 2.

Ergab sich bezüglich der dualen Berufsbildung noch bis in die 1940er-Jahre gesamtschweizerisch ein homogeneres Bild, das heisst in ZH höher und in GE und TI weitgehend ähnlich, so erfolgte in den folgenden Jahrzehnten im TI und in GE nach einem kurzen Anstieg in den 1950er-Jahren ein Abwärtstrend, der sich in den beiden Kantonen bis heute in einer vergleichsweise tieferen Beteiligung manifestiert – im TI dann ab 1980 etwas nach oben korrigiert. Dem steht im Kanton TI ein starker Aufwärtstrend der Gymnasien und im Kanton GE der kontinuierliche Anstieg der Beteiligung in den Gymnasien sowie derjenige der «anderen Schulen» gegenüber.[2]

Die Entwicklung der (dualen) Berufsbildung im Lichte kantonaler Bildungsregimes

Diese Entwicklungen sind auf die kantonalen Gesetzgebungen zurückzuführen, die wir anhand des von Eric Verdier (2008) entwickelten Konzepts des öffentlichen Handlungsregimes beschreiben. Dieses synthetisiert Bildungssysteme mit Modellen der Steuerung und Gestaltung von Bildung.

In den Kantonen GE und TI wurden zu Beginn der 1960er-Jahre kantonale Berufsbildungspolitiken entwickelt, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch bildungspolitische und soziale Ziele verfolgten.

In den Kantonen GE und TI wurden zu Beginn der 1960er-Jahre kantonale Berufsbildungspolitiken entwickelt, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch bildungspolitische Ziele (Verbesserung der Allgemeinbildung der Jugendlichen) und soziale Ziele (Verbesserung der Integration der schwächeren Bevölkerungsgruppen) verfolgten. Dies führte in allen Kantonen zu einem grösseren Engagement des Staates, der u.a. auch Vollzeitberufsschulen schuf und Massnahmen verabschiedete, die den gleichberechtigten Zugang zur Sekundarstufe II gewährleisten sollten. TI und GE führten – ähnlich wie in anderen europäischen Ländern – zudem in dieser Zeit eine «Gesamtschule» bzw. einen «cycle d’orientation» ein, die u.a. darauf zielten, eine frühzeitige Selektion in verschiedene Schul- und Ausbildungstypen hinauszuschieben. Diese Massnahmen beeinflussten in der Folge die Entwicklung in beiden Kantonen: Sie führten zu einem kontinuierlichen Ausbau der schulischen Ausbildung (insbesondere Gymnasien, aber auch berufliche Vollzeitschulen und «écoles de culture générale») und einer Stagnation bzw. relativen Schwächung der dualen Berufsbildung, die zunehmend als «zweitbeste» Lösung oder gar als Bildung für «Schwächere» angesehen wurde.

Im Vergleich dazu verhielt sich der Kanton ZH sehr viel zurückhaltender und überliess die Initiative den Berufsverbänden, die weitgehend an der Organisation der kantonalen Berufsbildung beteiligt waren. Diese Zurückhaltung schlug sich in begrenzteren bildungs- und sozialpolitischen Massnahmen nieder. Gegen eine Gesamtschule im Namen der Chancengleichheit wurde heftig opponiert (Kägi 1986) und stattdessen der Ausbau und die Reform der Berufsbildung befürwortet. Diese Neuerungen zielten auf eine stärkere Differenzierung des Ausbildungsangebots ab, um u.a. die Ausbildung für besonders leistungsstarke Jugendliche zu gewährleisten.

Dieses Bild akzentuierte sich mit dem Vollzug des Berufsbildungsgesetzes von 1963, das die Kantone verpflichtete, die Berufsbildung zu fördern.[3]

  • Wie aus den Kommissions- und parlamentarischen Beratungen zu den Gesetzesvorlagen jener Zeit ersichtlich ist, war man in ZH mit der dualen Berufsbildung zufrieden und sah wenig Anlass, Einfluss auf die Berufsbildung zu nehmen. Die Berufsverbände waren aktiv, und so sollte u.a. die Berufsschule die betriebliche Ausbildung lediglich ergänzen. Im Vordergrund stand die wirtschaftliche Entwicklung. Aspekte der Chancengleichheit, die durch Bildungsmassnahmen auszugleichen seien, spielten in ZH eine geringere Rolle. Insgesamt bestand das Leitmotiv darin, die Berufsbildungsaktivitäten der Berufsverbände zu unterstützen.
  • Ganz anders in GE. Man müsse die Arbeitgeber wie auch die Berufsverbände und die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, das Schwinden an Ausbildungsplätzen in Betrieben wieder rückgängig zu machen und die Verantwortung übernehmen, mehr Lernende auszubilden (Conseil d’État 1955). Es ginge darüber hinaus darum, bessere, d.h. auch pädagogisch gehaltvollere und auf Chancengleichheit und Integration ausgerichtete Bildungsmassnahmen zu ergreifen. In GE war die Berufsbildung Teil eines umfassenderen Bildungsgesamtrahmens. Die neuen Vorgaben des Bundes galt es in ein universelles kantonales Bildungsgefüge zu integrieren. Integration hiess ebenso, eine Gesamtschule als Vorbildung für eine weiterführende Sekundarstufe II zu installieren – eine Entwicklung, die weitere schulbezogene Anschlusslösungen begünstigte. Im Unterschied zu einem neo-korporatistischen Modell, wie es in ZH bestand, war die Genfer Berufsbildung Teil eines universellen und akademisch (im Sinne einer Orientierung an allgemeinbildenden Inhalten) ausgerichteten Systems, das Schulleistung und Chancengerechtigkeit miteinschloss.
  • In TI ging es vor allem um die Wiederbelebung und das Ermöglichen des Potenzials der Berufsbildung, welche zu wenig auf den kantonalen Arbeitsmarkt ausgerichtet sei (Kneschaurek 1964). Gleichzeitig sollte auch einer starke gesellschaftlichen Nachfrage nach schulischen und allgemeinbildenden Ausbildungen Rechnung getragen werden (Bertola 1976). So wurde eine Berufsbildungspolitik etabliert, die eine bessere Anbindung an die Wirtschaft anstrebte und ebenso schulische und allgemeine Bildung entwickelte.

Tabelle 1: Kantonal unterschiedlich dominante (Berufs-)Bildungsregimes

Kanton Zürich Kanton Tessin Kanton Genf
Leitmotiv Bestehende Berufsbildungsaktivitäten unterstützen Berufsbildung aufbauen und ermöglichen Berufsbildung in ein umfassendes Bildungssystem integrieren
Rechtfertigungs-Prinzip Berufsbildung ist in der Wirtschaft begründet und erfordert begleitende und ergänzende Massnahmen Berufsbildung ist ein Instrument, um ökonomische Wohlfahrt zu optimieren und auf die Nachfrage nach mehr allgemeiner Bildung zu antworten Berufsbildung ist Teil des Bildungssystems und ist ein Beitrag zur ökonomischen und staatsbürgerlichen Bildung
Dominantes Handlungsregime Neo-korporatistisches Regime Hybrid eines marktbezogenen und akademischen Regimes Universelles Regime

In ZH hatten die Verbände und die Wirtschaft ein vergleichsweise stärkeres Gewicht in der Gestaltung des Bildungswesens, was – gemäss Verdier – einem neo-korporatistischem Regime entspricht. In TI spielt hingegen ein stärker auf den Markt und das Bildungswesen ausgerichtetes Regime eine dominante Rolle. GE wiederum zeichnet sich durch einen universellen Zugang aus, das berufliche Bildung in ein universelles Bildungsregime einbindet.

Aus diesen dominanten öffentlichen Bildungsregimes resultierten auch unterschiedliche kantonale Ausrichtungen der Sekundarstufe II, die bis heute nachwirken. Während der relative Anteil der jungen Erwachsenen mit allgemeiner Hochschulreife im TI und in GE viel höher ist, bleibt er im Kanton ZH auf einem vergleichsweise tiefen Niveau. Das wirft angesichts des Fachkräftemangels auch Fragen auf (siehe Avenir Suisse 2010). Umgekehrt ist die Problematik der Niedrigqualifizierten in den Blick zu nehmen, deren Anteile in den Kantonen GE und TI höher liegen als etwa in ZH.

Hervorzuheben sind schliesslich die neueren Entwicklungen aufgrund der Gesetzgebungen in den 1990er- und folgenden Jahren, welche die Berufsbildung öffneten und Zugänge zur Höheren Berufsbildung und insbesondere zu den Fachhochschulen ermöglichten. So hat der Kanton TI – anders als GE – neben einer hohen allgemeinen Maturitätsquote auch eine hohe Berufsmaturitätsabsolventenzahl (siehe Hägi 2019).

Auch in der Westschweiz und im Tessin sind Bestrebungen bemerkbar, die duale Berufsbildung stärker zu fördern, wie auch aus dem Anstieg der Beteiligung seit 2010 ersichtlich ist.

Die bildungspolitisch forcierte Durchlässigkeit der Berufsbildung nach oben führt dazu, dass die duale Berufsbildung weiterhin attraktiv bleiben wird. Insgesamt zeigt der kantonale Vergleich, dass die duale Berufsbildung eine starke Integrationskraft besitzt, auch wenn hiermit soziale und bildungsbezogene Ungleichheiten ein Stück weit reproduziert werden (siehe Oesch 2021).

International betrachtet hat das «duale Modell» enorm an Prestige gewonnen, ja es gilt inzwischen als «Gold Standard» – dies vor allem wegen der engen Verknüpfung mit der Arbeitswelt und der diesem Modell zugeschriebenen tieferen Jugendarbeitslosenquote (siehe Strahm 2014). Auch in der Westschweiz und im TI sind daher Bestrebungen bemerkbar, die duale Berufsbildung stärker zu fördern, wie auch aus dem Anstieg der Beteiligung seit 2010 (Grafik 3) ersichtlich ist. Insofern haben sich die kantonalen Politiken ein Stück weit dem gesamtschweizerischen und auch internationalen Trend, duale Berufsbildung verstärkt zu fördern, angenähert. Dennoch bleiben – pfadabhängig – die kantonalen Unterschiede bestehen.

[1] SNF-Projekt: Philipp Gonon, Lorenzo Bonoli, Jackie Vorpe (EHB) und Lena Freidorfer-Kabashi (Uni Zürich): L’évolution de la formation professionnelle en Suisse entre cadre fédéral et différences cantonales. Les années charnières de 1950 à 1970. (2018-2022)
[2] Die Daten für das Gymnasium und die anderen Schulen zwischen 1940 und 1990 sind mit Vorsicht zu betrachten. Sie stammen aus kantonalen Statistiken, die manchmal schwer zu vergleichen sind. Im Fall des Kantons Zürich gibt es zudem keine zentralen Daten zu den Berufsvollzeitschulen. Diese Daten betreffen aber nur eine sehr begrenzte Anzahl von Personen, die wir auf weniger als 1% der Altersgruppe schätzen.
[3] Die entsprechenden kantonalen Vollzugsgesetzgebungen erfolgten in Zürich 1967, Genf 1969 und Tessin 1971.

Literatur

  • Avenir Suisse (2010). Die Zukunft der Lehre. Die Berufsbildung in einer neuen Wirklichkeit. Zürich.
  • Bertola, F. (1976). Prospettive per il rinnovamento della formazione professionale. Sezione della formazione professionale.
  • Conseil d’État (1955). Projet de loi sur la formation professionnelle. Réponse du Collège d’experts aux 9 questions posées par le Conseil d’État. 11.10.55 (Archives d’Etat de Genève).
  • Hägi, L. (2019). Disparate Entwicklungen der schweizerischen Berufsmaturität. In: Imdorf, Ch., Leemann, R. & Gonon, Ph. (Hrsg.): Bildung und Konventionen. (341-369). Wiesbaden: Springer
  • Kägi, E. (1986). Experimente mit der Bildung – Wege und Holzwege einer Reform. Zürich: Verlag NZZ.
  • Kneschaurek, F. (1964). Stato e sviluppo dell’economia ticinese: analisi e prospettive. Centrale cantonale degli stampati.
  • NZZ (1964): Holzwege der Berufsbildung. 6.12.1964, S. 8.
  • Oesch, D. (2021). Bildungspolitik – der Weg zu mehr Chancengleichheit. NZZ 2.3.2021, S. 18.
  • Strahm, R. (2014). Die Akademisierungsfalle. Bern: hep
  • Verdier, E. (2008). L’éducation et la formation tout au long de la vie: une orientation européenne, des régimes d’action publique et des modèles nationaux en évolution. In: Sociologie et sociétés, 40, 1, 195-225.
Zitiervorschlag

Gonon, P., & Bonoli, L. (2021). Bildung: Etwa doch ein Polenta- und Röstigraben?. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 6(1).

Das vorliegende Werk ist urheberrechtlich geschützt. Erlaubt ist jegliche Nutzung ausser die kommerzielle Nutzung. Die Weitergabe unter der gleichen Lizenz ist möglich; sie erfordert die Nennung des Urhebers.