Berufsbildung in Forschung und Praxis
Herausgeberin SGAB Logo

Wege in die Tertiärbildung: Die Bedeutung der Lern- und Wissenskultur

Handlungskompetent oder studierfähig?

Die Schweizer Bildungspolitik ist angesichts des Fachkräftemangels herausgefordert, die Quote tertiär ausgebildeter junger Menschen zu erhöhen. Eine Studie zeigt, dass die berufliche Grundbildung dazu einen eher geringen Beitrag leistet. Sie richtet sich – im Unterschied zur Berufsmaturität oder der Fachmaturität – am Aufbau beruflicher Handlungskompetenz aus und stattet die Lernenden eher wenig mit allgemeinbildendem, abstraktem, theoretisch-systematischem Wissen aus. Deshalb bleibt es wichtig, die BM1 zu fördern und Jugendliche gleich nach der obligatorischen Schulzeit frühzeitig propädeutisch auf ein Studium vorzubereiten. Zudem bleiben stärker schulbasierte Wege wie die Fachmittelschule geeignet, Jugendliche an die Fachhochschulen zu führen.


1 Einleitung

Studien verweisen darauf, dass die steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt eine Weiterqualifizierung auf Tertiärstufe erfordern, damit Arbeitskräfte ihre Arbeitsmarktchancen aufrechterhalten können.1 Die Nachfrage nach tertiär ausgebildeten Fachkräften auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ist bereits heute gross und wird weiter anwachsen.2 Die im Schweizer Bildungssystem ausgebildeten Personen können diese Nachfrage jedoch bei Weitem nicht abdecken, weshalb viele Fachkräfte im Ausland rekrutiert werden.3 Trotz grosser Bemühungen der Bildungspolitik, die Wege an die Hochschulen durchlässiger zu gestalten, bleiben die effektiv erreichten Quoten insbesondere der Fachhochschulen hinter den Erwartungen zurück.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, welches Gründe dafür sein könnten. Die präsentierten Ergebnisse stammen aus dem vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell geförderten Projekt«Die Fachmittel-/Fachmaturitätsschule (FMS) als eigenständiger Bildungsweg neben Berufsbildung und Gymnasium – Prozesse und Ergebnisse ihrer Positionierung und Profilierung; SNF-100019_162987». Die quantitativen Analysen von Andrea Pfeifer Brändli basieren auf den vom Bundesamt für Statistik erhobenen Längsschnittdaten im Bildungsbereich. Die qualitativen Resultate sind Ergebnis der Dissertation von Raffaella Simona Esposito zu den gesundheitsnahen Berufen. Sie hat dazu u.a. mit Lehrpersonen und Schulleitungen der beruflichen Grundbildung und der Fachmittelschule Interviews geführt, Unterrichtsbesuche absolviert und Lehrpläne untersucht.

2 Wege in die Tertiärbildung

Interessant ist, dass 9 Prozent der EFZ-Absolvierenden mit einer BM1 in die Höhere Berufsbildung eintreten, obwohl die Berufsmaturität hierzu keine Voraussetzung ist.

Das Schweizer Bildungssystem bietet auf der Sekundarstufe II drei eidgenössisch anerkannte Bildungswege an – das Gymnasium, die berufliche Grundbildung und die Fachmittelschule. Alle bieten Zugang zum Tertiärsystem: mit der gymnasialen Maturität ist der formale Zugang zu den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gewährleistet, mit einem entsprechenden Praktikum kann auch ein Studium an einer Fachhochschule begonnen werden. Mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) der beruflichen Grundbildung öffnet sich nach drei oder vier Jahren der Weg in die Höhere Berufsbildung. Mit einer zusätzlichen Berufsmaturität während oder nach der beruflichen Grundbildung (BM1 oder BM2) haben die Jugendlichen fachbereichsspezifisch Zugang zu den Fachhochschulen. Mit dem Fachmittelschulausweis nach drei Jahren Fachmittelschule kann berufsfeldspezifisch an die Höheren Fachschulen, mit einer zusätzlichen Fachmaturität an die Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen übergetreten werden.

Im Folgenden interessieren die Übertrittsquoten der genannten Bildungswege ins Tertiärsystem (Abbildung 1). Dazu werden die Absolvierenden eines ersten Abschlusses auf Sekundarstufe II analysiert. Die höchste Quote weisen die Abgänger/innen eines Gymnasiums auf (Gruppe 1). Drei Viertel der Maturand/innen treten innerhalb von viereinhalb Jahren in eine Universität ein, 18 Prozent an eine Fachhochschule oder Pädagogische Hochschule. Jugendliche, welche 2012 eine berufliche Grundbildung gleichzeitig mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis EFZ und einer BM1 abschliessen (Gruppe 2)4, treten in etwa gleich häufig in die verschiedenen Tertiärbildungen über wie jene, welche die Fachmittelschule mit dem Fachmittelschulausweis abschliessen (Gruppe 3). Diese beiden Bildungswege scheinen bezüglich Hochschulzugang demnach äquivalente Voraussetzungen zu bieten. Interessant ist, dass 9 Prozent der EFZ-Absolvierenden mit einer BM1 in die Höhere Berufsbildung eintreten, obwohl die Berufsmaturität hierzu keine Voraussetzung ist.

Daten: LABB (BFS), eigene Berechnungen

Bei Jugendlichen der beruflichen Grundbildung, die 2012 ausschliesslich mit einem EFZ abschliessen (Gruppe 4), ist die Übergangsquote ins Tertiärsystem viel tiefer. 8 Prozent treten an eine Fachhochschule, selten an eine Pädagogische Hochschule ein, 18 Prozent in die Höhere Berufsbildung. Angesichts der stagnierenden oder sogar rückgängigen BM1-Quote am Gesamtanteil der Berufsmaturität (Econcept 2015, 11; Kost et al. 2017) ist zu fragen, weshalb der Weg über die BM2 an eine Fachhochschule nicht etwas häufiger beschritten wird und welches mögliche Gründe sind.

3 Institutionelle Hindernisse des Zugangs zu den Fachhochschulen über die Berufsmaturität 2

Die schulische Lern- und Wissenskultur ist bis zum EFZ eng auf die Berufspraxis ausgerichtet und umfasst entsprechend anwendungs- und berufspraktisch orientiertes Wissen.

Im Folgenden vergleichen wir die Gruppe 4 mit der Gruppe 3 hinsichtlich der Frage, welche institutionellen Bedingungen das Absolvieren einer Maturität nach dem Erstabschluss und den Weg an die Fachhochschulen behindern bzw. befördern. Beide Bildungsgänge dauern im Normalfall drei Jahre (gewisse EFZ-Ausbildungen vier Jahre) und schliessen mit einem Zertifikat ab, das noch keinen formalen Zugang zu einer FH gewährt. Bei beiden Wegen müssen sich die Jugendlichen deshalb nach dem Erstabschluss entscheiden, die BM2 bzw. die Fachmaturität zu machen, wenn sie an eine Fachhochschule gehen wollen.

Eine erste Differenz liegt im unterschiedlichen Leistungsvermögen der beiden Gruppen. Das Kompetenzprofil der Lernenden in Mathematik und Sprache ist in Gruppe 4 heterogener und im Durchschnitt tiefer als in Gruppe 3 (SKBF 2018, 109; Angelone et al. 2014, 32). Ein Teil der Lernenden bringt deshalb die schulischen Leistungsvoraussetzungen für die BM2 nicht mit. Eine zweite Differenz betrifft den geringeren Druck für Gruppe 4, sich im Tertiärbereich, speziell auch an einer Fachhochschule weiter zu qualifizieren. Das EFZ ist berufsqualifizierend, im Gegensatz zum Fachmittelschulausweis, der eine Weiterqualifizierung auf Tertiärstufe bedingt. Zudem können EFZ-Abgänger/innen ohne zusätzliche Investitionen in eine BM2 in die Höhere Berufsbildung eintreten. Das gilt zwar ebenfalls für die Inhaber/innen eines Fachmittelschulausweises. Allerdings versteht sich die Fachmittelschule in den meisten Kantonen als Fachmaturitätsschule und damit als Zubringerin zu den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen, was sich in der hohen Übergangsquote von 63% in eine Fachmaturität zeigt.

Eine dritte Differenz zeigt sich im Ausbildungsverhältnis. Im dualen Modell der beruflichen Grundbildung ist es ein Beschäftigungsverhältnis und kein öffentlich-rechtlich geregeltes Schüler-Verhältnis wie im Fall der Fachmittelschule. Die Lernenden erhalten schon ihren ersten Lohn und haben nach Abschluss der Ausbildung Aussicht auf noch mehr Verdienst. Die BM nachzuholen bedeutet dagegen Aufschub und Verzicht materieller Bedürfnisse. Eine vierte Differenz könnte die unterschiedliche schulische Vorbereitung für eine anschliessende Maturität und den Weg an die Fachhochschulen betreffen. Die schulische Lern- und Wissenskultur ist bis zum EFZ eng auf die Berufspraxis ausgerichtet und umfasst entsprechend anwendungs- und berufspraktisch orientiertes Wissen. In der Fachmittelschule ist die Verbindung zum gewählten Berufsfeld bis zum Fachmittelschulausweis hingegen eher locker, und der Schwerpunkt liegt stärker auf der Vermittlung von abstraktem, theoretisch-systematischem Wissen. Dadurch bilden sich in den beiden Gruppen unterschiedliche Lerntypen aus (Ahrens 2012; Spöttl et al. 2009).

Der Forschungsstand zu den skizzierten institutionellen Bedingungen, welche das Absolvieren einer Maturität nach dem Erstabschluss behindern bzw. befördern, ist noch sehr dünn. Welche Relevanz die Leistungsanforderungen, der Druck und die Angebote zur Weiterqualifizierung auf Tertiärstufe oder ökonomische Gewohnheiten und Überlegungen der Jugendlichen haben, wissen wir nicht. Dies müssen zukünftige Studien untersuchen.

4 Schulische Lern- und Wissenskultur

Uns interessieren die Differenzen in der schulischen Lern- und Wissenskultur der beiden Bildungswege, welche – wie wir zeigen werden – ungleich auf den Weg über eine Maturität an eine Fachhochschule vorbereiten. Dazu vergleichen wir für den Bereich der Gesundheit die berufsspezifische schulische Ausbildung in den ersten drei Jahren der beruflichen Grundbildung (Berufskundeunterricht) mit jener der Fachmittelschule (Berufsfeldunterricht). Betrachten wir auch hier die Übergangsquoten in die Tertiärbildung (Abbildung 2), wird die grosse Bedeutung der Höheren Berufsbildung sichtbar. Im Weiteren zeigen Gruppe 2 und 3 wiederum vergleichbare Muster. Gruppe 4 hat dagegen wiederum eine viel tiefere Quote.

Daten: LABB (BFS), eigene Berechnungen; *) u.a. Fachperson Gesundheit, Dentalassistent/in, Med. Praxisassistent/in

Für den Vergleich der schulischen Lern- und Wissenskultur der beiden Bildungswege stützen wir uns auf eine Konzeption von Baethge (2006), der den berufsbildenden mit dem allgemeinbildenden Weg entlang verschiedener Dimensionen vergleicht, wovon deren drei für uns relevant sind (Abbildung 3).

Quelle: Baethge 2006

Entlang ausgewählter Beispiele werden im Folgenden die Differenzen der schulischen Lern- und Wissenskultur für die schulische Ausbildung der Fachperson Gesundheit bzw. der Fachmittelschule mit Berufsfeld Gesundheit rekonstruiert.

4.1 Dominante Zielperspektive

Wie Interviews mit den Lehrpersonen der Berufsfachschulen des EFZ Fachperson Gesundheit zeigen, setzt deren professionelles Selbstverständnis auf den Aufbau beruflicher Handlungskompetenz. Im Bildungsplan der OdA Santé sind die Kompetenzen entsprechend spezifisch auf die Aufgaben in der Pflege hin formuliert und leiten das Pflegehandeln klar und geführt an. Zum Beispiel im Handlungskompetenzbereich Pflegen und Betreuen: «Klientinnen und Klienten bei der Körperpflege unterstützen; bei ihrer Mobilität unterstützen; bei der Ausscheidung unterstützen; bei der Atmung unterstützen.»

Im Kontrast dazu grenzen sich Lehrpersonen der Fachmittelschule von einem ausschliesslich auf den Arbeitsmarkt hin ausgerichtetem Bildungsziel ab. «Bildung an und für sich ist ja eben auch schon ein Wert. […] Sinn von Schule ist ja nicht nur Arbeitskräfte auszubilden, sondern eben die Bildung allgemein, ja auch die Menschen irgendwie zu formen und auch ein interessantes Leben, irgendwie erfülltes Leben dann zu liefern» (Lehrperson Fachmittelschule Berufsfeld Gesundheit). Entsprechend ist Persönlichkeitsbildung im Rahmenlehrplan als zentrales Bildungsziel definiert und wird über eine vertiefte Allgemeinbildung gefördert, welche Fremdsprachen, Mathematik und Naturwissenschaften oder musische Fächer umfasst.

4.2 Bezugspunkt für Lernzieldefinition und Curricula

Die Ausrichtung am Bedarf des Arbeitsmarktes ist Orientierungspunkt der Entwicklung der einzelnen Berufe in der beruflichen Grundbildung: «Eine berufliche Grundbildung ermöglicht den Einstieg in die Arbeitswelt und sorgt für qualifizierte Fachkräfte. Sie orientiert sich an tatsächlich nachgefragten beruflichen Qualifikationen sowie an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft».5 Diese Ausrichtung zeigt sich auch in den Lernzielen des Berufskundeunterrichts, z.B. für chemische Kenntnisse. Es sind eher kleinteilige, anwendungsorientierte fachliche Kenntnisse, welche in erster Linie eine Beschreibung verlangen und ein Auswendiglernen erfordern, um Aspekte der Anatomie und Physiologie zu verstehen und später in der Praxis anwenden zu können.

Berufskundeunterricht EFZ Fachperson Gesundheit

Lernziele Chemie(Auszug)

Die Lernenden
• geben eine Übersicht über den Aufbau des Periodensystems der Elemente.
• beschreiben die für den Menschen wichtigen Elementgruppen.
• nennen die Unterschiede im Aufbau von Molekülen und Salzen.
• wenden den Fachbegriff Elektrolyt korrekt an.
• beschreiben die Eigenschaften von Säuren und Basen (inkl. pH-Bereich)
u.a.
(Quelle: FaGe-Lehrbuch «Anatomie und Physiologie»)

Chemie ist – wie auch Physik oder Biologie – kein eigenes Fach, sondern dient dem Lehrbereich «Anatomie und Physiologie» als Bezugswissenschaft.

In der Fachmittelschule ist Chemie hingegen ein eigenes Fach. Die Richt- und Referenzziele für die Schüler/innen sind auf einem viel abstrakteren Niveau formuliert. Sie fordern einen empiriebasierten Zugang mittels Beobachtung und Beschreibung der Phänomene, eine Verallgemeinerung in Modellen, eine disziplinäre Fachsprache oder ein hohes Mass an information literacy.

Fachmittelschule – Berufsfeld Gesundheit und Naturwissenschaften

Richtziele Chemie 1.– 3. Jahr (Auszug)

Die Lernenden
• können stoffliche Phänomene beobachten und korrekt beschreiben
• können stoffliche Veränderungen mit Hilfe von Modellen einordnen und deuten
• können sich in chemischer Fachsprache und mit chemischen Formeln ausdrücken
• beherrschen grundlegende Techniken der Laborarbeit
u.a.

Referenzziele Chemie 3. Jahr (Jahresstufenspezifische Qualifikationen)

Die Lernenden
• haben die Kompetenz, wissenschaftliche Informationen zu suchen, zu bewerten, zu vernetzen und in angemessener Form zu präsentieren
u.a.
Quelle: Lehrplan FMS Gesundheit/Naturwissenschaften Kanton Zürich, S.9f.

Die propädeutische Ausrichtung der Fachmittelschule auf ein Studium zeigt sich auch in ihrem Selbstverständnis. «Es geht darum, die Schülerinnen und Schüler studierfähig zu machen» Sie sollen «Lernstrategien entwickeln, um Kompetenzen zu entwickeln, die sie dann später im Studium brauchen» (Rektorin Fachmittelschule).

4.3 Instruktionsprinzip

Die Jugendlichen lernen in der Berufsfachschule u.a. über ein didaktisch aufbereitetes Vorzeigen – Nachahmen, entlang konkreter Handlungsgriffe, wie sie z.B. eine atemstimulierende Einreibung oder eine atemerleichternde Lagerung vorzunehmen haben (Lehrmittel BGB FaGe «Pflegen und Betreuen»). Es geht stets um typische Situationen aus dem Pflegealltag. Diese stark instruktive Lehr-Lernform wird auch in den Prüfungsaufgaben sichtbar. Verlangt wird ein sehr praxisbezogenes, spezifisches Wissen, das schnell abgerufen und im Zuge von praktischer Erfahrung routinisiert werden kann.

Prüfungsfrage im Berufskundeunterricht zur Fachperson Gesundheit

«Der Arzt verordnet bei Frau Russi tägliche Gewichtskontrolle. Nennen Sie zwei Punkte, auf die Sie bei der Durchführung achten müssen».
«Frau Pulver möchte von Ihnen wissen, was sie machen kann, damit ihre Wunde besser heilt. Beschreiben Sie zwei Massnahmen, welche Frau Pulver beachten sollte».

In der Fachmittelschule dagegen sind die Aufgaben viel allgemeiner und abstrakter formuliert. Gefordert wird ein grundlegendes physikalisch-mathematisches Verständnis, das – wenn überhaupt – nur eine lockere Verbindung zur zukünftigen Berufswelt der Schüler/innen vornimmt.

Prüfungsfrage im Berufsfeldfach Physik der Fachmittelschule

«Für zukünftige Raumsonden untersucht die NASA auch einen neuartigen Ionenantrieb. Dabei werden Xenonatome ionisiert, in einem elektrischen Feld beschleunigt und durch eine Düse mit grosser Geschwindigkeit gestossen. Eine Sonde mit Ionenantrieb kann während rund 300 Tagen ununterbrochen beschleunigen und erreicht dabei eine Geschwindigkeit von rund 1300km/h. Wie gross wäre die durchschnittliche Beschleunigung einer Sonde mit Ionenantrieb? Welche Strecke hätte sie nach 200 Tagen zurückgelegt? Wie lange bräuchte die Sonde für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h? Wäre der Ionenantrieb auch für Autos interessant?»

5 Fazit

Die Schweizer Bildungspolitik ist angesichts des Fachkräftemangels herausgefordert, die Quote tertiär ausgebildeter junger Menschen zu erhöhen. Der Beitrag fokussiert den Weg an die Fachhochschulen und verweist auf die propädeutische Funktion der schulischen Lern- und Wissenskultur der Bildungswege.

Zum einen zeigen die Resultate, dass die schulische Lern- und Wissenskultur in der beruflichen Grundbildung sich am Aufbau beruflicher Handlungskompetenz ausrichtet und die Lernenden eher wenig mit allgemeinbildendem, abstraktem, theoretisch-systematischem Wissen auf die Anforderungen einer BM2 und den Weg an eine Fachhochschule vorbereitet. Deshalb ist es mit Blick auf die statistischen Ergebnisse zum Fachhochschulzugang wichtig, die BM1 zu fördern und Jugendliche gleich nach der obligatorischen Schulzeit frühzeitig propädeutisch auf ein Studium vorzubereiten. Das vom SBFI lancierte Projekt zur Stärkung der Berufsmaturität mit verschiedenen Optionen der zeitlichen Flexibilisierung der BM1 ist deshalb zu begrüssen.

Zum anderen geben die Analysen Hinweise dafür, dass stärker schulbasierte Wege wie die Fachmittelschule geeignet sind, Jugendliche an die Fachhochschulen zu führen. Sie sind eine wichtige Ergänzung auf der Sekundarstufe II, da sie Jugendliche gewinnen, die einen stärker schulischen Weg präferieren.

1 Salvisberg und Sacchi 2014
2 Babel 2019
3 Wanner und Steiner 2018
4 Der Abschluss EFZ und BM1 fällt damals z.B. bei den Handelsmittelschulen zeitlich um ein Jahr auseinander (BM1 erst im Jahre 2013)
5 SBFI 2017, Handbuch Prozess der Berufsentwicklung in der beruflichen Grundbildung

Literatur

  • Ahrens, Daniela. 2012. Bildungstypen und ihr Habitus: Von der Durchlässigkeit zur sozialen Öffnung der Hochschule. bwp@ (23) (online).
  • Babel, Jacques. 2019. Demografische Entwicklung und Auswirkungen auf den gesamten Bildungsbereich. Neuchâtel: Bundesamt für Statistik.
  • Baethge, Martin. 2006. Das deutsche Bildungs-Schisma: Welche Probleme ein vorindustrielles Bildungssystem in einer nachindustriellen Gesellschaft hat. SOFI-Mitteilungen (34):13-27.
  • Econcept. 2015. Konzept zur Stärkung der BM. Schlussbericht. Bern: Staatssekretariat für Bildung Forschung Innovation.
  • Kost, Jakob, Fabienne Lüthi und Jan Fischer. 2017. Die Berufsmaturitätsquote zwischen Volatilität und Stabilität – eine bildungspolitische Herausforderung. Schweizerische Gesellschaft für Angewandte Berufsbildungsforschung 2017 (1).
  • Salvisberg, Alexander und Stefan Sacchi. 2014. Labour market prospects of swiss career entrants after completion of vocational education and training. European Societies 16 (2):255-274.
  • SKBF Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung. 2018. Bildungsbericht Schweiz 2018. Aarau: SKBF.
  • Spöttl, Georg, Rainer Bremer, Philipp Grollmann und Frank Musekamp. 2009. Gestaltungsoptionen für die duale Organisation der Berufsausbildung. Düsseldorf: Arbeitspapier 168 der Hans Böckler Stiftung.
  • Wanner, Philippe und Ilka Steiner. 2018. Ein spektakulärer Anstieg der hochqualifizierten Zuwanderung in die Schweiz. Social Change in Switzerland 16.
Zitiervorschlag

Esposito, R. S., Leemann, R. J., Imdorf, C., & Pfeifer‏‏‎-Brändli, A. (2019). Handlungskompetent oder studierfähig?. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 4(2).

Das vorliegende Werk ist urheberrechtlich geschützt. Erlaubt ist jegliche Nutzung ausser die kommerzielle Nutzung. Die Weitergabe unter der gleichen Lizenz ist möglich; sie erfordert die Nennung des Urhebers.