Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Neue Publikation im hep verlag

Konzepte für eine lebendige Schulentwicklung

Ohne Schulentwicklung würden Innovationen höchstwahrscheinlich wesentlich länger brauchen, um in die Schulen zu gelangen oder überhaupt nicht in die Schulen gelangen. Dennoch findet Schulentwicklung an Schweizer Berufsfachschulen nur punktuell statt, wie eine Untersuchung an sechs Schulen zeigte. Nun publiziert der hep verlag im Rahmen der Reihe «Didaktische Hausapotheke» eine Sammlung von Instrumenten zur Verbesserung der Situation. Sie richtet sich an Lehrpersonen, die sich in der Schul- und Qualitätsentwicklung an ihrer Schule engagieren, sowie an Mitglieder von Schulleitungen.


Das vorliegende Buch stellt unterschiedliche Ansätze für die Durchführung von Schulentwicklungsprojekten vor, diskutiert Methoden zum Einholen und Auswerten von Feedbacks durch Lernende und bietet einen breiten Überblick an Möglichkeiten zur kollegialen Zusammenarbeit in Schulteams.

Vor einigen Monaten publizierte der Silke Fischer in diesem Newsletter Studienergebnisse, die zeigen, dass Schulentwicklung nicht immer in der von der Bildungspolitik intendierten Art und Weise in der pädagogischen Praxis umgesetzt wird (Fischer, 2017). Ausschlaggebend hierfür ist unter anderem eine Schwäche unseres outputorientierten Bildungssystems: Es wird nicht evaluiert, ob und wie gut Schulen die von ihnen im Rahmen ihrer Schulentwicklung selbst gesetzten Leistungsziele auch wirklich erreichen (Oelkers, 2007).

Grundlegend hierfür sind gemäss den Forschungsergebnissen von Fischer (2016) die folgenden Punkte:

  1. Mangelnde konzeptionelle Einbindung
    Schulentwicklung erfolgt an den untersuchten Berufsfachschulen oftmals eher punktuell und orientiert sich nicht an einer übergeordneten Konzeption, z.B. den Leistungszielen. Des Weiteren werden Lehrpersonen, die nicht der Schulleitung angehören, innerhalb der Schulentwicklung nicht in Entscheidungsprozesse, z.B. die Festsetzung von Leistungszielen oder Inhalten von Schulentwicklungsprojekten, miteinbezogen. Die Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Schulentwicklung konzentrieren sich allein bei der Schulleitung. Folglich entsteht inhaltlich eine Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der Schulleitung und denen der Lehrpersonen.
  2. Fehlende Transparenz
    Die Resultate zeigen zudem, dass die schulinterne Weiterbildung nicht als Mittel zur Erreichung der Schulentwicklungsziele genutzt wird, obwohl diese dafür u.a. vorgesehen ist. Die Konzepte der Schulentwicklung und schulinternen Weiterbildung sind an den befragten Schulen nicht aufeinander abgestimmt. Schliesslich zeigte sich, dass die Lehrpersonen kaum Informationen zum Zielerreichungsgrad der initiierten Schulentwicklungsprojekte ihrer Berufsfachschulen bekommen. Die Effektivität der Massnahmen aus abgeschlossenen Schulentwicklungsprojekten bleibt für sie intransparent. Die befragten Lehrpersonen sind daher nicht der Meinung, dass Schulentwicklung einen positiven Einfluss auf ihre berufliche Situation (Unterricht, berufliche Fähigkeiten, beruflicher Alltag) habe.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erscheint es fraglich, inwiefern die Schulen über genug Innovationskompetenz verfügen, um sich selbstständig, d.h. ohne zusätzliche (kantonale) Unterstützung, in «problemlösende» Organisationen zu verwandeln. Aber gerade diese Aufgabe werden die öffentlichen Bildungseinrichtungen in Zeiten, in denen die kantonalen Mittel sind, eigenverantwortlich bewältigen müssen.

Schwierige Rahmenbedingungen

Die Schwierigkeit, Schulentwicklung innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen effektiv umzusetzen – das Fehlen einer ausreichenden Innovationskompetenz also –, kann jedoch nicht allein den Schulen zugeschrieben werden. Vielmehr erweist sich die effektive Umsetzung des heutigen Konzeptes der Schulentwicklung als schwierig, was auf mannigfaltige Gründe zurückzuführen ist. Aufgeführt werden im folgenden zwei Probleme, die im System selbst begründet liegen:

  1. Problem der selbständigen Befähigung
    Einerseits wird von den Schulen erwartet, dass sie sich eigenständig in den Bereichen Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung weiterentwickeln. Andererseits werden ihnen dafür aber (fast) keine finanziellen Mittel oder andere Unterstützungsleistungen zur Verfügung gestellt. Anderes gesagt: Die Bildungspolitik setzt voraus, dass die Lehrkräfte neben einer ohnehin schon hohen Unterrichtsbelastung bereit sind, sich an Schulentwicklung zu beteiligen, und dass sie dafür die notwendigen Kompetenzen besitzen.
    Zudem ist die Ausbildung der Lehrpersonen bis heute nicht darauf ausgerichtet, diese in zentralen schulischen Qualitätsbereichen zu schulen (Wyrwal, 2006). Zu denken wäre hier insbesondere an Kompetenzen zur Evaluation des eigenen Unterrichts, aber auch zur Durchführung von Projekten oder zur Gestaltung von Lehrplänen. Auch heute gelten Lehrkräfte immer noch als Einzelkämpfer und der Lehrberuf weitestgehend als karrierelos, weshalb kaum Anreize für Lehrpersonen bestehen, Schulentwicklung effektiv und vor allem auch «bottom-up» voranzutreiben, geschweige denn sich selbstständig in den notwendigen Bereichen zu befähigen.
  2. Fehlende Evaluationskultur
    Das System der Outputsteuerung eröffnet den Schulen zwar Handlungsspielräume, um z.B. ihre Schulentwicklung passgenau an ihren Bedürfnissen auszurichten. Aber diese werden nur unzureichend evaluiert. Hier braucht es externe, professionell gestaltete Evaluationen, welche die Erreichung schulischer Ziele untersuchen und einen Ausgangspunkt für Weiterentwicklung im Sinne einer «Kultur des Hinschauens» bilden. Der Systemfehler besteht hier vor allem darin, dass die Verantwortung über die Erreichung der Leistungsziele und die Evaluation der durchgeführten Schulentwicklungsprojekte ebenfalls auf Schulebene, d.h. bei der jeweiligen Schule selber, liegen.

hep-Buch für Lehrpersonen und Schulleitungen

Lehrkräfte gelten immer noch als Einzelkämpfer und der Lehrberuf weitestgehend als karrierelos. Deshalb bestehen kaum Anreize für Lehrpersonen, Schulentwicklung effektiv und vor allem auch «bottom-up» voranzutreiben.

Die im hep verlag erscheinende Publikation «Schul- und Qualitätsentwicklung – Konzepte und Handlungsempfehlungen für die Praxis» stellt zentrale Konzepte und Ansätze der Schul- und Qualitätsarbeit beruflicher Schulen vor und gibt Hinweise für die konkrete Umsetzung in der Praxis. Wie andere Titel der Reihe «Didaktische Hausapotheke» ist sie aus den Studiengängen für angehende Berufsfachschullehrpersonen der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) hervorgegangen. Sie richtet sich entsprechend an Lehrpersonen, die sich in der Schul- und Qualitätsentwicklung an ihrer Schule engagieren, sowie an Mitglieder von Schulleitungen.

Das Buch stellt unterschiedliche Ansätze für die Durchführung von Projekten an Schulen vor, diskutiert Methoden zum Einholen und Auswerten von Feedbacks durch Lernende und bietet einen breiten Überblick an Möglichkeiten zur kollegialen Zusammenarbeit in Schulteams. Eingebettet sind diese praxisorientierten Hinweise in konzeptuelle Überlegungen zur Schul- und Qualitätsentwicklung, auch mit Blick auf die Rolle der unterschiedlichen Akteure im Bildungswesen. Dieses Buch soll Schulen und Lehrkräfte auf dem Weg hin zu einer effektiveren Schulentwicklung unterstützen.

Schulentwicklung gilt auch heute noch als Motor, um schulische Innovationsprozesse voranzutreiben (Dalin & Rolff, 1990). Die Schulen können aufgrund ihrer Outputorientierung jedoch selber entscheiden, wie und in welchen Bereichen sie die Entwicklungen vorantreiben möchten. Die Chance besteht hier darin, Entwicklungen passgenau an die jeweilige schulische Situation anpassen zu können. Ohne Schulentwicklung würden somit höchstwahrscheinlich Innovationen wesentlich länger brauchen, um in die Schulen zu gelangen bzw. überhaupt nicht in die Schulen gelangen. Des Weiteren würden sich die Schulen verständlicherweise mit aufgezwungenen Entwicklungszielen seitens der Bildungsdirektion schwertun.

Grundsätzlich ist das Konstrukt der Schulentwicklung positiv zu beurteilen. Dass Schulentwicklung z.T. nicht effektiv betrieben wird, bedeutet nicht, dass Schulentwicklung an den Schulen nichts verbessert. Schulentwicklung trägt dem Gedanken des «lifelong learning» Rechnung und regt zur Veränderung an. Schulentwicklung trägt innerhalb des Kollegiums einer Schule sicherlich zu mehr Konversation und Kooperation bei und veranlasst das Kollegium, sich mit einzelnen Themenbereichen gezielter zu beschäftigen. Allerdings lässt sich auch bis heute nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob Schulentwicklung den Unterricht auch wirklich kontinuierlich optimiert (Euler, 2001). Dennoch sollte die  Erreichung von festgelegten Leistungszielen ein wünschenswertes Etappenziel jeder Schule sein.

Literatur

  • Dalin, P., & Rolff, H.G. (1990). Institutionelles Schulentwicklungs-Programm. Soest: Soester Verlagskontor.
  • Euler, D. (2001). Neue Steuerungsmodelle im Bildungswesen – Folgen für Aufgaben und Qualifizierung von Bildungsverwaltern in der Beruflichen Bildung. 06. Juli. 2015.
  • Fischer, S. (2016). Schulentwicklung. Bildungspolitische Wunschvorstellung oder pädagogische Realität? Bern: Peter Lang.
  • Fischer, S. (2017). Mythos Schulentwicklung. SGAB-Newsletter 06/2017.
  • Oelkers, J. (2007). Globalisierung, Wettbewerb und Schulentwicklung. Hauptreferat auf dem 3. Jahreskongress der Stiftung Partner für Schule NRW am 1. September 2007 im Ruhr Congress Bochum. 16. Juni 2015.
  • Wyrwal, J. (2006). Qualitätsmanagement beruflicher Schulen. In Die berufsbildende Schule, 58 (2006), 250-256.
Zitiervorschlag

Fischer, S., & Maurer, M. (2018). Konzepte für eine lebendige Schulentwicklung. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 3(1).

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