Berufsbildung in Forschung und Praxis
Herausgeberin SGAB Logo

Einige Ergebnisse der Forschungen des Leading House LINCA

Wie der kaufmännische Unterricht noch besser werden kann

Jedes Jahr beginnen rund 17’000 Jugendliche eine kaufmännische Grundbildung – das sind jeweils mehr als ein Fünftel aller Lernenden. Das Leading House LINCA hat sich in den letzten sechs Jahren intensiv mit Lehr-Lernprozessen in der kaufmännischen schulischen Bildung befasst. Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass der Unterricht im Unterrichtsbereich Wirtschaft und Gesellschaft an den Berufsfachschulen zu guten Resultaten führt. Dennoch könnten die berufsfachschulischen und betrieblichen Curricula im Hinblick auf die kaufmännische Praxis noch besser aufeinander abgestimmt werden. Zudem sollte das Lehrerhandeln noch intensiver auf die Kognitive Aktivierung und die Konstruktive Unterstützung der Lernenden zielen; allzu oft sind die den Unterricht dominierenden Lehrgespräche noch zu wenig produktiv.


Die motivationalen Faktoren Interesse und intrinsische Motivation entwickelten sich zwar weitgehend negativ, verblieben aber auf einem hohen Niveau. Die Selbstwirksamkeit der Lernenden blieb weitgehend auf einem hohen Niveau stabil.

Das Leading House «Lehr-Lernprozesse im kaufmännischen Bereich» (LINCA für «Learning and INstruction for Commercial Apprentices») ist eines von vier vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) geförderten Leading Houses für Berufsbildungsforschung. Es ist der Universität Zürich angegliedert (Lehrstuhl Prof. Dr. Franz Eberle) und soll der Berufsbildungspolitik und -praxis vertiefte Forschungsergebnisse zur kaufmännischen Berufsbildung zur Verfügung stellen.

In der soeben abgeschlossenen ersten Förderphase wurden in einer längsschnittlich konzipierten Studie kaufmännische Lernende und ihre Lehrpersonen über einen gesamten Ausbildungszyklus von drei Jahren hinweg (2012–2015) mehrmals befragt und getestet. Nachfolgend findet sich eine zusammenfassende Übersicht über die Untersuchungen. Ein in Kürze im Waxmann Verlag erscheinender Band wird noch in diesem Jahr die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprogramms sowie Schlussfolgerungen für die (Berufs-)Schulpraxis ausführlich vorstellen (Holtsch & Eberle, im Druck).

1 Übersicht über die Untersuchungen im Leading House LINCA

Die LINCA-Stichprobe umfasste zu Beginn der Erhebungen 85 kaufmännische Berufsfachschulklassen der Deutschschweiz. 43 Klassen gehörten dem schulischen Profil ohne Berufsmatura (E-Profil) und 42 Klassen dem Profil mit Berufsmatura (M-Profil) an. Von den insgesamt 55 Deutschschweizer Berufsfachschulen waren mit dieser Stichprobe 37 an der LINCA-Studie beteiligt. Abbildung 1 zeigt die verschiedenen Erhebungen in den drei Teilprojekten von LINCA.

Abbildung 1: Datenerhebungen in LINCA (Holtsch & Eberle, im Druck)

Im Zentrum von Theorie und Empirie des Gesamtprojekts standen der Erwerb der Wirtschaftskompetenz durch die Lernenden und der Beitrag des Lehren und Lernens im Unterrichtsbereich Wirtschaft und Gesellschaft (W&G) dazu. Dabei spielten die folgenden zwei Besonderheiten der kaufmännischen Berufsbildung in der Schweiz eine wichtige Rolle:

Sie ist erstens – im Gegensatz etwa zu Deutschland – als Allbranchenausbildung organisiert. Dies soll den Lernenden nach Ausbildungsabschluss eine horizontale Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen kaufmännischen Branchen und somit flexible Reaktionen auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen – also den Wechsel von der Ausbildungsbranche zu einer anderen der insgesamt 21 kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen. Während an den Lernorten Lehrbetrieb und überbetriebliche Kurse die Förderung der beruflichen Handlungskompetenz bzw. der kaufmännischen Kompetenz im Lernbereich «Branche und Betrieb» auf der Grundlage branchenspezifischer Leistungszielkataloge erfolgt, steht am Lernort kaufmännische Berufsfachschule die Förderung der dazu notwendigen branchenübergreifenden beruflichen Kompetenzen im Zentrum. Auch im Unterrichtsbereich W&G wird ein Teil dieser kaufmännischen Kompetenz gefördert. Es werden aber – wie in anderen Fächern der Berufsfachschule – auch allgemeinbildende Ziele angestrebt. Darin liegt die zweite Besonderheit der kaufmännischen Ausbildung in der Schweiz: Die doppelte Zielsetzung beruflicher und allgemeiner Bildung in jedem Fach ist nicht nur international, sondern auch im Vergleich mit anderen Ausbildungsberufen ein Alleinstellungsmerkmal. In den meisten anderen Berufsausbildungen in der Schweiz erfolgt die Allgemeinbildung in einem eigenen Fach (Allgemeinbildender Unterricht).

Im Unterrichtsbereich W&G umfasst die doppelte Zielsetzung zu einem überwiegenden Teil sowohl die Förderung der wirtschaftsberuflichen Aspekte (kaufmännische Kompetenz in der kaufmännischen Domäne) als auch jene eines allgemeinen Wirtschafts- und Gesellschaftsverständnisses der Lernenden (wirtschaftsbürgerliche Kompetenz in der wirtschaftsbürgerlichen Domäne).

Die Vermittlung wirtschaftsbürgerlichen Wissens und Könnens war, gemessen am Lösungsgrad der Aufgaben, weniger erfolgreich als jene kaufmännischen Wissens und Könnens.

Eine weitere Unterscheidung innerhalb der beiden genannten Domänen ist jene in domänenspezifische und domänenverbundene Kompetenzbereiche. Ihr liegen die folgenden Überlegungen zugrunde: In organisierten Lernsituationen werden in der Regel Kompetenzen erworben, die generalisiertes Wissen und Können enthalten – so genanntes «Theoriewissen». Die Generalisierung bewirkt einerseits die Ausblendung situationsspezifischer Eigenheiten der vielen möglichen, konkreten Aufgaben- und Problemsituationen in der Praxis. Denn es ist unmöglich, alle späteren Praxisfälle vorauszusehen und zu üben. Andererseits umfasst die Generalisierung in der Breite meist mehr Wissen und Können als zur Lösung einer einzelnen, spezifischen Aufgabe notwendig wäre. Das Theoriewissen ist insgesamt mit den Inhalten der spezifischen Domäne lediglich verbunden. Das domänenverbundene Wissen und Können sollte die allgemeine Wissens- und Könnensgrundlage für die erfolgreiche Bewältigung domänenspezifischer Aufgaben sein. Somit enthält die Wirtschaftskompetenz vier sich überschneidende Wissens- und Könnensbereiche:

  • domänenverbundenes kaufmännisches Wissen und Können (DVK),
  • domänenspezifisches kaufmännisches Wissen und Können (DSK),
  • domänenverbundenes wirtschaftsbürgerliches Wissen und Können (DVW) sowie
  • domänenspezifisches wirtschaftsbürgerliches Wissen und Können (DSW).

Teilprojekt 1 von LINCA befasste sich mit der Kompetenzentwicklung der kaufmännischen Lernenden in diesen vier Bereichen im Verlaufe ihrer Ausbildung. Dazu wurden u.a. Tests zu ihrem wirtschaftsbürgerlichen und kaufmännischen Wissen sowie Fragebogenerhebungen zu ihrer Biographie und zu ihren motivationalen Faktoren eingesetzt.1

Teilprojekt 2 befasste sich mit dem Unterricht im Unterrichtsbereich W&G. Dazu wurden die Lernenden und ihre Lehrpersonen insbesondere zu ihrer Wahrnehmung der tiefenstrukturellen Basisdimensionen für gute Unterrichtsqualität befragt: Klassenführung, Strukturiertheit, Kognitive Aktivierung und Konstruktive Unterstützung.2

Teilprojekt 3 befasste sich mit den W&G-Lehrpersonen bzw. einigen Facetten ihrer professionellen Kompetenz. Erfasst wurden unter anderem Berufsbiographie, Unterrichtsstrategien, Überzeugungen zum Lehren und Lernen in W&G sowie fachliche und fachdidaktische Kompetenzen. Die Befragung der Lehrpersonen umfasste neben Lehrenden der LINCA-Klassen auch weitere Lehrpersonen.3

2. Einige Ergebnisse

Im Folgenden werden einige wichtige Ergebnisse der Teilprojekte von LINCA zusammengefasst.

Teilprojekt 1: Kompetenzentwicklung der Lernenden

  • Das wirtschaftsbürgerliche Wissen und Können der Lernenden ist empirisch vom kaufmännischen Wissen und Können trennbar, und auch die theoretische Unterscheidung zwischen domänenverbundenen und domänenspezifischen Anteilen lässt sich empirisch nachweisen.
  • Diese vier Facetten des Wissens und Könnens zeigen unterschiedliche Entwicklungsmuster: Während beide Facetten des kaufmännischen Wissens und Könnens (DVK und DSK) sowie das domänenverbundene wirtschaftsbürgerliche Wissen und Können (DVW) angestiegen sind, ist das domänenspezifische wirtschaftsbürgerliche Wissen und Können (DSW) zurückgegangen.
  • Die motivationalen Faktoren Interesse und intrinsische Motivation entwickelten sich zwar weitgehend negativ, verblieben aber auf einem hohen Niveau. Die Selbstwirksamkeit der Lernenden blieb weitgehend auf einem hohen Niveau stabil. Einzig die extrinsische Motivation (z.B. Lernen auf Druck von aussen) stieg im Verlaufe der Ausbildung kontinuierlich an.
  • Bezüglich der Verläufe des Wissens und Könnens sowie der motivationalen Faktoren gab es zwischen den Lernenden grosse Unterschiede.
  • Die Eingangsvoraussetzungen Mathematik, Deutsch und allgemeine kognitive Fähigkeiten hängen positiv mit den anfänglichen Ausprägungen und der Entwicklung des Wirtschaftswissens und -könnens zusammen.

Ein besonderer Fokus sollte dabei auf der Kognitiven Aktivierung und der Konstruktiven Unterstützung liegen, da beide Basisdimensionen im Vergleich zu den anderen beiden von den Lernenden als weniger stark ausgeprägt wahrgenommen wurden, obwohl sie zentral für eigenaktives und damit verständnisbasiertes Lernen sind.

Teilprojekt 2: Wahrnehmung des Unterrichts

  • Die vier Basisdimensionen Klassenführung, Strukturiertheit, Kognitive Aktivierung und Konstruktive Unterstützung konnten als eigenständige Elemente der Tiefenstruktur anspruchsvollen Unterrichts nachgewiesen werden.
  • Der Unterricht in W&G verläuft primär lehrerzentriert: Das Lehr-Lern-Gespräch und der Lehrvortrag dominieren.
  • Die Strukturiertheit, die Klassenführung und die Konstruktive Unterstützung wurden von den befragten Lernenden positiv wahrgenommen. Die Kognitive Aktivierung wurde zwar ebenfalls positiv, allerdings etwas tiefer ausgeprägt eingeschätzt. Dabei gab es erhebliche Unterschiede sowohl zwischen den Klassen als auch teilweise innerhalb der Klassen.
  • In der Videostudie konnten Defizite in der Führung dialogischer Lehr-Lern-Gespräche sowie in der Stimulation lernförderlicher Eigenaktivitäten der Lernenden gefunden werden.

Teilprojekt 3: Professionelle Kompetenzen der Lehrpersonen

  • Die Lehrpersonen für W&G haben wesentlich heterogenere Ausbildungswege absolviert als erwartet.
  • Das fachliche Wissen der befragten Lehrpersonen war im Bereich Volkswirtschaft sehr gut ausgeprägt.
  • Das fachdidaktische Wissen der Lehrpersonen war mittel ausgeprägt, bei Lehrerinnen und Lehrern mit Fachhochschulabschluss sogar noch etwas besser.
  • Die Lehrpersonen scheinen innerhalb des Unterrichtsbereichs W&G teilbereichsspezifische Überzeugungen zum Unterricht (instruktionale oder konstruktivistische Ausrichtung) zu entwickeln. Für Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre sowie Finanz- und Rechnungswesen fallen diese unterschiedlich aus.

3 Schlussfolgerungen für die Praxis

Im Abschlussband von LINCA und in den Dissertationen von Andrea Reichmuth-Sprenger (2017) und Eva Höpfer (2017) werden in einem eigenen Kapitel aus den Befunden Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Schulpraxis sowie die Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern abgeleitet. An dieser Stelle werden für jedes der drei Teilprojekte einige wichtige Punkte aufgeführt.

Teilprojekt 1: Kompetenzentwicklung der Lernenden

Vor allem im Sinne einer intensiveren Förderung der schwächeren Lernenden bleibt ein Potenzial für eine noch weiter gehende Individualisierung oder Personalisierung des Unterrichts in W&G.

  1. Grundsätzlich gelingt die Förderung des Erwerbs relevanten kaufmännischen Wirtschaftswissens in der kaufmännischen Ausbildung der Deutschschweiz gut. Die Ausbildung ist in diesem Teilbereich der kaufmännischen Grundbildung, die im Hinblick auf berufliche Handlungssituationen erfolgt, offenbar erfolgreich. Der gute Lösungsgrad bei den praxisorientierten Aufgaben zur domänenspezifischen Kompetenz (DSK) deutet zudem auf eine gute Passung der Ausbildungscurricula auf die praktischen Anforderungen hin. Der markanteste und kontinuierlichste Anstieg erfolgte beim schulischen kaufmännischen Theoriewissen (DVK). Aus Sicht der Umsetzbarkeit des Lehrplans in eine gute Zielerreichung besteht deshalb für die theoretischen Komponenten des in LINCA getesteten kaufmännischen Wissens und Könnens kein Reformbedarf. Trotzdem weisen die Ergebnisse auf die Notwendigkeit einer noch besseren Abstimmung zwischen berufsfachschulischen und betrieblichen Curricula und den Anforderungen der kaufmännischen Praxis sowie auf die Wünschbarkeit einer noch engeren Kooperation der Lernorte hin.
  2. Die Vermittlung wirtschaftsbürgerlichen Wissens und Könnens war, gemessen am Lösungsgrad der Aufgaben, weniger erfolgreich als jene kaufmännischen Wissens und Könnens. Die Lernenden eignen sich zwar das theoretische wirtschaftsbürgerliche Wissen und Können (DVW) an, haben aber Probleme bei der Anwendung auf konkrete wirtschaftsbürgerliche Problemstellungen (DSW). Der Lösungsgrad bei diesen Aufgaben (DSW) ist im Verlauf der Ausbildung sogar gesunken. Dies kann curriculare und didaktische Ursachen haben. Bei einer Revision sollten deshalb die Inhalte des zu vermittelnden Wissens und Könnens kritisch auf ihre Bedeutsamkeit für wirtschaftsbürgerliche Problemstellungen geprüft und angepasst werden. Didaktisch scheint die anwendungsorientierte Vermittlung der Unterrichtsinhalte weniger gut zu gelingen als bei den kaufmännischen Kompetenzen. Dies liegt vermutlich zum einen daran, dass im Lehrplan von W&G die wirtschaftsbürgerlichen Themen eher spärlich vertreten sind. Zum anderen ergeben sich beim kaufmännischen Wissen und Können die Anwendungssituationen häufig in der betrieblichen Ausbildung und bei der Arbeit. Deshalb dürfte bei den kaufmännischen Themen eine bessere Verknüpfung und Internalisierung des Wissens und Könnens erfolgen als bei den wirtschaftsbürgerlichen. Die für den wirtschaftsbürgerlichen Teil gegebene rein schulische Ausbildung steht daher bezüglich erfolgreicher Anwendungsorientierung vor grösseren Herausforderungen, auch wenn ihre Themen ja grundsätzlich für die Lebenswelt aller Menschen sehr bedeutsam sind. Didaktisch ist dieses Problem nicht neu, und es ist auch Thema der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen. Der Transfer in die Schulpraxis gelingt hingegen noch zu wenig. Möglicherweise spielt auch eine Rolle, dass in den Abschlussprüfungen (Qualifikationsverfahren) kaum wirtschaftsbürgerliche Aufgaben gestellt werden.
  3. Die grossen interindividuellen Unterschiede zu Beginn und am Ende der Ausbildung zeigen zwar einen Schereneffekt für die domänenübergreifenden Eingangsvoraussetzungen (Fähigkeiten in Deutsch und Mathematik sowie allgemeine kognitive Fähigkeiten), aber nicht bei den vier Komponenten des Wirtschaftswissens und -könnens. Trotzdem bleiben die Anfangsdifferenzen – wenn auch in weniger grossem Ausmass – bestehen. Vor allem im Sinne einer intensiveren Förderung der schwächeren Lernenden bleibt ein Potenzial für eine noch weiter gehende Individualisierung oder Personalisierung des Unterrichts in W&G.

Insgesamt können aus den Ergebnissen von Teilprojekt 1 wichtige Hinweise für die künftigen Curricula, die Verknüpfung von schulischer und betrieblicher Ausbildung, für die Gestaltung des Unterrichts und die Inhalte der Abschlussprüfungen abgeleitet werden. Sie sind für die nächste Überprüfung der Bildungsverordnung relevant und werden zudem in die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen für W&G sowie für Wirtschaft und Recht an der Universität Zürich einfliessen.

Teilprojekt 2: Wahrnehmung des Unterrichts

  1. Die Basisdimensionen Klassenführung, inhaltliche Strukturiertheit, Kognitive Aktivierung und Konstruktive Unterstützung sollten in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen explizit thematisiert und als spezifisches fachdidaktisches Wissen gefördert werden. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf der Kognitiven Aktivierung und der Konstruktiven Unterstützung liegen, da beide Basisdimensionen im Vergleich zu den anderen beiden von den Lernenden als weniger stark ausgeprägt wahrgenommen wurden, obwohl sie zentral für eigenaktives und damit verständnisbasiertes Lernen sind. Da die Umsetzung der vier Basisdimensionen im Unterricht von den Lehrpersonen Handlungskompetenz erfordert, ist neben der theoretischen Vermittlung der Konzepte das explizite Einüben einer lernförderlichen Umsetzung in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen besonders wichtig.
  2. Im W&G-Unterricht dominiert nach wie vor das Lehr-Lern-Gespräch. Dessen hohes Potenzial zur kognitiven Aktivierung und zur Initiierung von Eigenaktivitäten bei den Lernenden wird aber nicht ausgeschöpft. Das Lehr-Lern-Gespräch sollte darum in der Aus- und Weiterbildung von Lehrperso-nen noch stärker thematisiert und dessen Anwendung besser eingeübt werden. Da dabei häufig be-stehende, wenig lernförderliche Handlungsroutinen durchbrochen werden müssen (z.B. Dominanz klassischer Frage-Antwort-Sequenzen, wenig Wartezeit im Anschluss an Fragen), bietet sich der Einsatz eines langfristig angelegten Schulungsprogramms an, das die Teilnehmenden intensiv begleitet.
  3. Die entwickelten Instrumente zur Beobachtung von Unterricht sind auch für die Nutzung für individuelle Reflexionen oder für im Rahmen von gegenseitigen Unterrichtsbesuchen erfolgende Feedbacks geeignet.

Teilprojekt 3: Professionelle Kompetenzen der Lehrpersonen

Bei den W&G-Lehrpersonen verfügen Absolventinnen und Absolventen von Universitäten nicht in allen Bereichen über das bessere Wirtschaftswissen und das bessere fachdidaktische Wissen als solche von Fachhochschulen.

  1. Bei den W&G-Lehrpersonen verfügen Absolventinnen und Absolventen von Universitäten nicht in allen Bereichen über das bessere Wirtschaftswissen und das bessere fachdidaktische Wissen als solche von Fachhochschulen. Bei der bildungspolitischen Diskussion über die fachwissenschaftlichen Voraussetzungen für das kaufmännische Lehrdiplomstudium sollte darum mehr auf einer konkreten inhaltlichen Ebene argumentiert werden als auf jener der allgemeinen Gegenüberstellung der Hochschultypen Fachhochschule versus Universität. Denn schon in der deutschen COACTIV-Studie hat sich bestätigt, dass das für die professionelle Kompetenz von Lehrpersonen erforderliche Fachwissen nicht nur reichhaltig, sondern vor allem auch unterrichtsnah sein muss. Deshalb wäre eine bessere curriculare Verzahnung der fachlichen und fachdidaktischen Studieninhalte zu diskutieren.
  2. In der Kontroverse zwischen instruktionalen und konstruktivistischen Ausrichtungen hat sich gezeigt, dass zu hohe Ausprägungen bei den jeweiligen Überzeugungen eher negativ mit der Kompetenzentwicklung der Lernenden zusammenhängen. Man sollte darum undogmatische und praktisch-flexible Überzeugungen bei künftigen Lehrenden fördern.

Weitere Auswertungen, insbesondere auch zu den Zusammenhängen zwischen den Daten der Teilprojekte, und weitere wichtige Schlussfolgerungen sind im Abschlussband sowie in den nachfolgend aufgeführten Dissertationen zu finden. Eine Zusammenfassung der Arbeit von Andrea Reichmuth-Sprenger erscheint im nächsten Newsletter der SGAB.

Fussnoten

1 Die standardisierten Erhebungen wurden von geschulten Testleitenden in den Berufsfachschulen jeweils klassenweise durchgeführt.
2 Die Befragung der Lernenden erfolgte im Zuge der zweiten Haupterhebung von Teilprojekt 1 mittels eines Paper-Pencil-Fragebogens, während die Antworten der Lehrpersonen in einer Online-Umfrage erhoben wurden. Ebenfalls im Rahmen von Teilprojekt 2 wurde im W&G-Unterricht eine Videostudie in neun ausgewählten LINCA-Klassen durchgeführt.
3 Diese standardisierte Erhebung erfolgte bei den Lehrpersonen in den Berufsfachschulen und wurde ebenfalls von geschulten Testleitenden durchgeführt. Des Weiteren wurde jeweils kurz nach Abschluss des letzten Videoerhebungszeitpunkts aus Teilprojekt 2 mit jeder Videolehrperson im Rahmen von Teilprojekt 3 ein Stimulated-Recall-Interview geführt. Dabei besprachen die Lehrpersonen ihr Handeln anhand unterschiedlicher, von den Projektverantwortlichen festgelegter Videoausschnitte.

Ausgewählte Monographien zu LINCA

  • Holtsch, D., & Eberle, F. (Hrsg.) (im Druck), Untersuchungen zu Lehr-Lernprozessen im kaufmännischen Bereich. Ergebnisse aus dem Leading House LINCA und Schlussfolgerungen für die Praxis. Münster: Waxmann.
  • Höpfer, E. (2017). Eigenaktivität als Lernchance – Lernförderliches Potenzial und adaptive Unterstützung eigeninitiierter verbaler Handlungen von angehenden Kaufleuten. Dissertation, Universität Zürich, Institut für Erziehungswissenschaft, Zürich.
  • Reichmuth-Sprenger, A. (2017). Struktur und prozedurale Produktivität von Lehr-Lern-Gesprächen im Klassenunterricht. Entwicklung eines Rasters zur Analyse von lehrseitig initiierten Gesprächssequenzen und Anwendung im kaufmännischen Unterrichtsfach «Wirtschaft & Gesellschaft» (Dissertation). Universität Zürich, Institut für Erziehungswissenschaft, Zürich.
Zitiervorschlag

Eberle, F., & Holtsch, D. (2017). Wie der kaufmännische Unterricht noch besser werden kann. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 2(3).

Das vorliegende Werk ist urheberrechtlich geschützt. Erlaubt ist jegliche Nutzung ausser die kommerzielle Nutzung. Die Weitergabe unter der gleichen Lizenz ist möglich; sie erfordert die Nennung des Urhebers.