Tagung vom 23. Mai 2023

Automatisierung, KI und Learning Analytics in der Berufsbildung — Chancen und Risiken

Gemeinsam mit der PH Zürich führte die SGAB eine Tagung zum Thema „Automatisierung, KI und Learning Analytics in der Berufsbildung – Chancen und Risiken“ am 23. Mai 2023 durch (Agenda und Flyer). Referate sowie individuell wählbare Workshops aus der Praxis und der Wissenschaft gaben Einblick rund ums Tagungsthema. Alle Unterlagen der Tagung finden Sie weiter unten. Herzlichen Dank an die Referent*innen für die spannenden Keynotes und Workshops sowie den über 200 Teilnehmer*innen für das grosse Interesse.

13.40 bis 14.40

Keynote 1: Zukunftsmodelle der Lernortkooperation mittels Data Science und KI

Prof. Dr. Sabine Seufert

Prof. Dr. Sabine Seufert ist Direktorin des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien (IBB) an der Universität St.Gallen.

Eine gelingende Lernortkooperation (LOK) gilt als eine wesentliche Voraussetzung für eine hohe Ausbildungsqualität. Im Zuge der digitalen Transformation verändert sie sich aber. Das vom SBFI-geförderte Projekt «Zukunftsmodelle der Lernortkooperation» untersucht die Potenziale der fortgeschrittenen Digitalisierung (Data Analytics und Künstliche Intelligenz (KI)) für die Lernortkooperation. Fluchtpunkt der konzeptionellen Überlegungen stellt dabei der Aufbau eines digitalen Ökosystems für die Berufsbildung dar. Wie kann die Konnektivität zwischen Arbeitsmarkt- und Berufsbildungspolitik (z.B. durch KI-basierte Arbeitsmarktinformationen, KI-generierte Kompetenzmodelle) erhöht werden (Makro-Ebene)? Wie können personalisierte, intelligent gesteuerte Bildungsprozesse, bei denen die Lernenden ins Zentrum der Organisationslogik rücken, eine lernortintegrierende Kompetenzentwicklung ermöglichen (Meso-Ebene)? Und wie können Berufsbildungsakteure mit KI-basierten Agenten im Rahmen von LOK künftig stärker zusammenarbeiten (Mikro-Ebene)? Das pädagogische Modell des Forschungsstranges «School-Workplace Connectivity» soll dabei das Grundverständnis für die Verknüpfung von schulischem und betrieblichem Lernen stärken.

13.40 bis 14.40

Keynote 2: Learning Analytics Ratios

Prof. Dr. Pierre Dillenbourg

Pierre Dillenbourg, ETH Lausanne, ist Direktor des Leading House «Technologien für die Berufsbildung» und Mitglied.

A large part of learning analytics algorithms are input-output functions with a N:1 ratio. They generally process data produced by N learners, N being very large, in order to infer the state or select the next activity for an individual learner. This function may be successively applied to many learners, but individually. It differs from the former student modeling algorithms characterized by a 1:1 ratio. For instance, we used a N:1 ratio to diagnose and to remediate dysgraphia. We shifted to N:2 for detecting misunderstandings in a team, by synchronizing two eye trackers. Over the years, our lab research continuously increased the denominator. Classroom analytics can be depicted as a N:C ratio, where C is the number of learners in the classroom, since the output is a dashboard representing the classroom. The function of classroom analytics is to smoothen classroom orchestration, by inferring the class state (e.g. the level of attention) or predicting global completion time before moving to the next activity. This talk will mostly be about N:C. But the ratios scale does not stop here. We recently explore N:P in vocational education using data from N learners for the regulating an educational systems with massive sets of users. I will illustrate N:P with our attempts to mine large international datasets (Q&As, MOOCs, Job Ads,..) to predict the emergence of new training skills, in order to make the Swiss vocational training (P) more agile.

15.30 bis 16.30

Workshop 1: Maschinelle Moral. Wie setzt man KI in der Bildung verantwortungsvoll ein?

Prof. Dr. Tobias Röhl

Professor Digital Learning and Teaching, PH Zürich

Künstliche Intelligenz kommt im Bildungsbereich zunehmend zum Einsatz: Adaptive Lernsysteme wählen Aufgaben aus und geben den Lernenden Feedback, Systeme zur automatisierten Bewertung können mittlerweile sogar Freitextaufgaben oder Aufsätze beurteilen und durch die umfassende Analyse grosser Datenmengen erhalten Lehrpersonen ungeahnte Einblicke in das Verhalten der Lernenden.  Gleichzeitig entstehen damit Risiken, die es zu beachten gilt. Die Datensätze, auf denen die Systeme beruhen, können beispielsweise unbemerkt soziale Schieflagen reproduzieren. Auch kann das individualisierte Lernen mit adaptiven Lernsystemen Leistungsunterschiede vergrössern. Der Workshop zeigt auf, wie man KI so einsetzt, dass diese und andere Risiken minimiert werden. Hierzu werden vom Workshopleiter mitentwickelte Leitlinien zum verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Bildung zur Diskussion gestellt und kritisch erprobt.

15.30 bis 16.30

Workshop 2: Wie tragen die standardisierten Online-Tools Lernpass plus und Stellwerk dazu bei, dass Lernende selbstbewusst und motiviert ihre Berufslehre beginnen?

Claudia Coray

Ehem. Leiterin der Lernfördersysteme im Lehrmittelverlag St. Gallen

Vielen Beteiligten an der Schnittstelle zur Berufswahl ist Stellwerk ein Begriff. Die adaptive Standortbestimmung wird seit vielen Jahren in den meisten Deutschschweizer Kantonen eingesetzt. Das individuelle Stellwerkprofil weist den Schülerinnen und Schülern ihre schulischen Kompetenzen auf, die unabhängig von Schultypus oder Kanton vergleichbar sind. Heute ist Stellwerk Teil des Lernfördersystems Lernpass plus, das die individuelle Förderung im 3. Zyklus unterstützt und Lernen sichtbar macht. Im Workshop wird aufgezeigt wie Schülerinnen und Schüler die digitalen Instrumente wirkungsvoll für ihre schulische Kompetenzentwicklung einsetzen. Ziel dabei ist, dass sie motiviert und gut vorbereitet den Übertritt in die Sekundarstufe ll schaffen.

15.30 bis 16.30

Workshop 3: Selbstgesteuerte und projektbasierte Integration der Generation Z bei Swisscom

Marc Marthaler

Head of Next Generation Swisscom

Wie die neuste Studie von ICT-Berufsbildung Schweiz zeigt, wird bis im Jahre 2030 in der Schweiz eine Lücke von 38’700 ICT-Fachkräften entstehen. Und dies trotz verstärkter Anstrengungen in der Nachwuchsförderung. Die Berufsbildung ist als grösste Zubringerin der Schlüssel zur Deckung des Fachkräftebedarfs. Denn 79 Prozent aller ICT-Abschlüsse haben ihren Ursprung in der Berufsbildung. Doch welche zukunftsrelevanten Arbeitsbedingungen müssen für die Generation Z geschaffen und wie können die Mitarbeitenden der Zukunft gefunden werden? Ist eine Selektion durch eine KI realistisch, können Noten oder Tests treffend selektionieren oder soll der Mensch und seine Skills ins Zentrum gestellt werden? Am Beispiel der Berufsbildung Swisscom wird aufgezeigt, wie Lernenden selbstgesteuert und projektbasiert im Unternehmen integriert werden und welche neue Wege im Bereich der Rekrutierung zur Findung der passenden Talente gegangen werden.

15.30 bis 16.30

Workshop 4: Generative Textmodelle wie ChatGPT: Was sind die Herausforderungen und Chancen in der Bildung?

Manuela Hürlimann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for Artificial Intelligence ZHAW

Generative Textmodelle wie ChatGPT sind derzeit in aller Munde und haben das Potenzial, unseren Alltag zu verändern. Dabei stellen sich im Bereich der Bildung sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Im Rahmen dieses Workshops wird näher beleuchtet, wie diese Technologien funktionieren, wie sie lernen, wozu sie fähig sind und für welche Anwendungen sie sich eignen. Die Workshopleiterin wird weiter darauf eingehen, wie Lernende an einen sinnvollen Umgang mit generativen Textmodellen herangeführt werden können und teilt erste Erkenntnisse in Bezug auf die Konzipierung von schriftlichen Prüfungen.

15.30 bis 16.30

Workshop 5: Wie können Lehrende und Lernende KI sinnvoll einsetzen?

Lukas Löffel

Leiter Digitale Lehre und Forschung UZH

Prüfungen und KI, ein zurzeit heiss diskutiertes Thema: Die Angst ist vielerorts gross, dass in Zukunft einerseits Lernende sich Wissen nicht mehr aneignen, sondern Antworten auf alle Fragen einer KI überlassen, andererseits Lehrpersonen nicht in der Lage sein werden einzuordnen, woher die abgegebenen Antworten kommen. Die Gefahr besteht, jedoch kommt es immer drauf an, wie wir mit der gestellten Aufgabe umgehen: Wie können Lehrende und Lernende die zur Verfügung stehende Technologie sinnvoll einsetzen? Wo kann die KI eine Arbeitserleichterung sein, wo eher nicht? Wie müssen Prüfungsfragen konzipiert sein, damit sie von einer KI nicht so einfach beantwortet werden können? Im Workshop werden anhand von Beispielen die aktuellen Möglichkeiten sowohl auf Seiten der Lernenden als auch der Lehrpersonen gezeigt und wir diskutieren grundsätzlich darüber, was eigentlich gute Leistungsnachweise sind und wie in Zukunft erlerntes Wissen abgefragt werden könnte – gute Ideen sind gefragt.